Auf die Privatisierungswelle folgt nun der gegenteilige Trend. Die Forderung nach Verstaatlichung von Unternehmen wird lauter, zumindest wenn man den Blick auf so manche Bewegung in der Gesellschaft richtet. Finanzielle Belastungen für den Haushalt und wirtschaftliche Risiken für die Stadt werden von Befürwortern der Rekommunalisierung gern ausgeblendet. Privatisierung versus Rekommunalisierung - eine spannende Diskussion!
Welche Beteiligungen an Unternehmen sind tatsächlich von städtischem
Interesse und wo könnte privatisiert werden, um wirtschaftliche Risiken für die
Stadt zu minimieren? Werden
Unternehmensbeteiligungen mit geringer Bedeutung für die Stadt als
machtpolitisches Instrument künstlich von der Landesregierung aufrechterhalten?
Der Thematik wollte ich auf den Grund gehen und habe Experten aus Wissenschaft,
Politik und Praxis zur Diskussion eingeladen.
Prof. Dr. Michael Bräuninger,
Dr. Thomas-Sönke Kluth MdHB und Dr. Andreas Reuß stellen öffentliche
Unternehmen auf den Prüfstand und diskutieren unter Moderation von Lothar
Hänsch das „öffentliche Interesse“ verschiedenster Beteiligungen.
Die Voraussetzungen für eine staatliche Beteiligung an Unternehmen sind in der Landeshaushaltsordnung Hamburg geregelt: „Die Freie und Hansestadt Hamburg soll sich (…) an der Gründung eines Unternehmens in einer Rechtsform des privaten Rechts oder an einem bestehenden Unternehmen in einer solchen Rechtsform nur beteiligen, wenn ein wichtiges staatliches Interesse vorliegt und sich der angestrebte Zweck nicht besser und wirtschaftlicher auf andere Weise erreichen lässt (…)“ § 65, Abs. 1, Ziffer 1 LHO.
Wo ist staatlicher Eingriff in den Markt also gerechtfertigt? Dr.
Andreas Reuß, ehemaliger Geschäftsführer der Hamburger Gesellschaft für
Vermögens- und Beteiligungsmanagement mbH, differenziert nach Kategorien. Die
Relevanz von Beteiligungen kann in verschiedene Stufen unterteilt werden, und
zwar in Daseinsvorsorge z.B. Wasserversorgung, wirtschaftliche Bedeutung für
den Standort z.B. HHLA, fachspezifische und strategische Bedeutung für Stadt
und Land und in Sonstige, deren Relevanz für die Stadt gering ist. Eine
ähnliche Einteilung hatte bereits Wolfgang Peiner, Finanzsenator a.D.
aufgestellt. Demzufolge könnten die Beteiligungen der Kategorie „Sonstiges“ privatisiert werden.
Es handelt sich dabei u.a um städtische Betreiber von Hafenrundfahrten oder
Betreiber von Fernbusreisen und Busvermietung, die problemlos in privater Hand
funktionieren würden.
Dr. Thomas-Sönke Kluth, wirtschaftspolitischer Sprecher der
FDP-Bürgerschaftsfraktion, kritisiert insbesondere diese Formen städtischer
Beteiligungen, wo die Frage nach dem „staatlichen Interesse“ verneint werden kann.
Langfristig sollte jedes Unternehmen am Markt bestehen können.
Aktuelles Beispiel und Sorgenkind ist die HSH Nordbank, die für die Länder
Hamburg und Schleswig-Holstein ein enormes finanzielles Risiko birgt und im
Wettbewerb mit anderen Banken um die Akquisition von Neugeschäft kaum bestehen
kann. Eine Lösung des Problems ist zurzeit nicht in Sicht.
Spannend ist in diesem Zusammenhang die Diskussion um die
Rekommunalisierung der Energienetze in Hamburg. Denn eine Volksinitiative
fordert den Netzrückkauf von 100%. Zeitgleich zur Bundestagswahl werden die
Bürgerinnen und Bürger Hamburgs über den Volksentscheid abstimmen. Prof. Dr.
Michael Bräuninger, Forschungsdirektor am Hamburgischen
WeltWirtschaftsInstitut, stellt klar: Die Rekommunalisierung der Netze bietet
kaum Vorteile. Sie stellt weder einen Beitrag zur Energiewende dar, noch senkt
sie den Strompreis. Die Netzentgelte sind bereits gesetzlich reguliert und für
alternative Energien ist eine Zusatzabgabe fällig. Preisanstiege sind also zu
erwarten, unabhängig davon, wer die Netze besitzt.
Einig sind sich alle Referenten in einem Punkt: Die Stadt hält immer
noch Beteiligungen an Unternehmen, die Haushalt und Steuerzahler unbegründet
wirtschaftliche Risiken aufhalsen.
Interessantes Thema. Immer aktuell. Ich werde den Volksentscheid zum
Netzrückkauf und die Zukunft der HSH Nordbank mit Interesse begleiten.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen